Geschichte eines Aarburger Traditionsvereins

Die Gründung

 

Seit der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden viele Musikgesellschaften gegründet. So kamen auch in Aarburg schon 1879 einige Musikanten zusammen, um zu musizieren. Diese hatten allerdings weder Statuten noch waren sie als Verein registriert. Wegen Streitereien ging diese Musikgesellschaft Aarburg wieder auseinander.

 

Erst am 24. September 1897 gründeten 23 Bläser die Stadtmusik Aarburg. Zum selbigen Datum gaben sie sich die ersten Statuten und liessen sich als Verein registrieren. Die Mitglieder der Stadtmusik hatten damals das Ziel, die Instrumentalmusik zu pflegen und das gesellschaftliche Leben damit zu bereichern. Sie hatten aber auch Pflichten, so war regelmässiges Erscheinen ein Muss und unentschuldigtes Fernbleiben von der Probe oder einem Anlass, sowie verspätetes Erscheinen kosteten 50 Rappen. Als Entschuldigung galten ein Todesfall, Krankheit und Militärdienst.

 

Die Gründungsepoche

 

In den ersten 25 Jahren, diese rechnet man zur Gründungsepoche, war die junge Stadtmusik zwar musikalisch recht erfolgreich, doch sonst war sie von einigen Schwierigkeiten geplagt.

Wie in dieser Zeit so üblich, ernannte man den Gründungsinitianten zum musikalischen Leiter der Stadtmusik. Dies war ohne Zweifel Jakob Siegrist.

Doch schon 1900 stellte man, als erste Musikgesellschaft in der Umgebung, einen Berufsmusiker als Dirigenten an. So wurde Heinrich Kunz, mit dem die Stadtmusik schon vorher für das Arrangieren der Stücke zusammengearbeitet hatte, engagiert. Dass dieser Entscheid richtig war, zeigte sich später deutlich. Von kantonalen Musikfesten und Musiktagen konnten die Musikanten gute Resultate und teilweise noch bessere Kritiken mit nach Hause bringen. So lobte ein Kritiker des Aargauer Tagblatts die Stadtmusik anlässlich eines Musiktages in Oberentfelden mit dem Prädikat "vorzüglich".

Auch durfte man schon 1920 die Stadtmusik Aarburg zu der Spitze der kantonalen und nationalen Musikgesellschaften zählen.

Doch mit der Zeit zeigten auch die Schwierigkeiten auf das Musikalische ihre Auswirkungen. Schon 1923 konnte man am ersten Eidgenössischen Musikfest, an dem man in Zug teilnahm, nur noch in der 2. Klasse antreten und erreichte selbst dort keinen Spitzenrang mehr.

Die Gründe für die Schwierigkeien waren sicherlich auch finanzielle Probleme. Schon zu Beginn fehlte es an Instrumenten und für minderbemittelte Musikanten auch am Geld, um welche zu kaufen. Man beschloss, bei der Aarburger Bevölkerung das notwendige Geld zu sammeln. Der Erfolg blieb nicht aus, man konnte immerhin neun Instrumente kaufen. Zudem nahm man bei Herrn Merz einen Kredit von 150 Franken auf.

Doch konnte die Aufnahme von Krediten und ewiges Sammeln bei der Bevölkerung keine Lösung sein. So stellten die Musikanten 1902 ein Gesuch an den Gemeinderat, um jährlich 200 Franken Subventionen zu erhalten. Das Gesuch wurde aber ohne Begründung abgelehnt. Um trotzdem den Geldsorgen Herr zu werden, wurde in der Folge ein Mitgliederbeitrag von 50 Rappen pro Monat verlangt.

Doch auch der Bestand war nicht problemlos gesichert. Zu den Musikgesellschaften umliegender Gemeinden herrschte ein starkes Konkurrenzdenken. Teilweise wurden die Mitglieder gezwungen, in einer anderen Musikgesellschaft der Umgebung den Austritt zu geben. Wollte jemand neu in die Stadtmusik eintreten, verzichtete man auf das reglementarische Eintrittsgeld, pochte dafür aber auf das Austrittsgeld. Das Austrittsgeld in der horrenden Höhe von 20 Franken angesetzt, konnte sich praktisch keiner leisten. Man versuchte so, die Mitglieder vom Austreten abzuhalten.

Aber auch Streitereien und Familienfehden machten der Stadtmusik teilweise das Leben schwer. Es gab keine Versammlung, ohne dass es nicht zum Antrag für den Ausschluss von jemandem kam. Die Gründe dafür waren allerdings oft recht kleinlich. In der Folge kam es zu Zorndemissionen und wiederum anderen Verleumdungen.

Trotzdem konnte die Stadtmusik 1922 ihr 25jähriges Bestehen feiern und dabei noch ihre erste Fahne einweihen. Die Patensektionen waren die Musikgesellschaft Olten und Murgenthal.

Die Aktivitäten der Stadtmusik in dieser Zeit können mit denjenigen von heute verglichen werden.

Der erste grosse Anlass für die Stadtmusik war sicher Silvester 1900. Die Feierlichkeiten begannen mit einem kirchlichen Auftakt und hatten ihren Höhepunkt beim Empfang des Sonderzuges mit kantonalen und nationalen Behörden am Aarburger Bahnhof.

Ansonsten wirkte die Stadtmusik an Umzügen von kantonalen und eidgenössischen Festen, sowie an Jugendfesten mit. Die Bedingungen für eine solche Mitwirkung waren streng festgelegt: Für eine Darbietung in Aarburg verlangte man 50 Franken und ein Fass Bier, auswärts 80 Franken und die Verköstigung. Schon damals wurden andere Vereine abgeholt, wenn sie von einem Fest oder Wettkampf zurückkehrten. Ebenso gab man jedes Jahr mindestens ein Jahreskonzert.

 

Umformierung der Stadtmusik zur Harmoniemusik

 

Mit der Umformierung von der reinen Metallmusik zur Harmoniemusik tat sich die Stadtmusik sichtlich schwer. Die Verwirklichung kam erst 1970 bei der Neuinstrumentierung zustande.

Schon 1909 versuchte man es ein erstes Mal mit Klarinetten, deren Kauf als Bedingung an der Geldspende geknüpft war. Doch das Ganze scheiterte am Unvermögen der Bläser, Klarinette zu spielen. Immer wieder wollten einige Mitglieder Bläser von Harmonieinstrumenten in die Stadtmusik aufnehmen, weil in den Statuten eine klare Regelung zu diesem Punkt fehlte. Streitereien waren in der Folge vorprogrammiert. 

An der Gemeindeversammlung von 1961 wurde die Metall-Harmoniemusik beschlossen. Doch der neue Klang konnte noch nicht alle so richtig überzeugen. Leider verliehen die Bläser den neuen Instrumenten auch zu wenig Ausdruck.

Doch der Entscheid, die Stadtmusik Aarburg zur Harmonie zu machen, war aus heutiger Sicht sicher richtig. 

 

Die Stadtmusik bis heute

 

Da viele Musikanten noch dienstpflichtig waren, hatte die Stadtmusik während den beiden Weltkriegen sehr wenig Zusammenkünfte. Aber auch die Zeit vor dem 2. Weltkrig war für die Stadtmusik nicht gerade leicht zu meistern. Da sie nach aussen netural sein musste, wurde es notwenig, dass zwei Jahreskonzerte durchgeführt wurden: Ein Konzert für die Bürgerlichen im Hotel Krone und eines für die Sozialdemokraten im Hotel Falken. Aber auch im Verein selbst machten sich die politischen Spannungen dieser Zeit bemerkbar. Es kam zu tiefen Auseinandersetzungen und es gab Anlässe, an denen nur zehn Musikanten anwesend waren. Es ist verständlich, dass es auch in dieser Zeit nicht möglich war, Musikfeste zu besuchen.

Der musikalische Wiederaufstieg erfolgte ab dem Jahre 1946. Damals wurde Hans Moor, der von allen geachtet wurde, Präsident der Stadtmusik und konnte den Verein wieder aus der Krise führen.

Am Eidgenössischen Musikfest in St. Gallen fand die Stadtmusik somit den Anschluss an die anderen Musikgesellschaften wieder. 1953 hatte die Stdtmusik dank Adolf Zimmerli sogar einen Auftritt am Schweizer Radio.

Als sehr erfolgreich darf auch die Zeit angesehen werden, in der Hermann Suter Präsident und Emil Lindner Dirigent waren. Unter ihnen zählte die Stadtmusik ihren bisher grössten Bestand mit 39 Bläsern und 2 Tambouren. Ebenfalls in dieser Zeit konnte die Stadtmusik ihre erste neue, schwarze Uniform ihr Eigentum nennen.

Dadurch, dass Theo Jenzer während seiner Präsidialzeit sehr darauf geachtet hatte, das Ansehen der Stadtmusik bei der Aarburger Bevölkerung zu heben, kam 1970 unter recht einfachen Bedingungen die Neuinstrumentierung zustande. Von Seiten der Bevölkerung, Industrie und Behörden konnte der stolze Betrag von 57'150 Franken zusammengetragen werden.

Mit den neuen Instrumenten konnte 1971 am Eidgenössischen Musikfest in Luzern auch ein sehr gutes Resultat und gute Kritiken erreicht werden. Man erhielt in der 2. Spielklasse den Goldlorbeerkranz und die Kritik lautete: "Die prächtige Leistung verdient ein aufrichtiges Kompliment". Das gute Resultat konnte übrigens mit der "Burleske" von Albert Benz erzielt werden, welche die Stadtmusik 1996 anlässlich des Jahreskonzerts und des Musiktags wieder spielte.

1976 konnte die Stadtmusik nun mit einem grossen Fest die blaue Uniform einweihen, welche sie auch heute noch besitzt.

Unter der 19jährigen musikalischen Leitung von Kurt Mundwiler konnten viele gute musikalische Erfolge erzielt werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er 1987 zum Ehrendirigenten der Stadtmusik gewählt wurde. Nach seiner Demission fiel es aber der Stadtmusik sichtlich schwer, wieder einen passenden Dirigenten zu finden.

Seit dem Eidgenössischen Musikfest in Luzern hat die Stadtmusik kein Eidgenössisches und nur noch ein Kantonales Musikfest besucht. Dies lag einerseits am enormen Aufwand, insbesondere für das Pflichtstück, welches erst einige Wochen vor dem Anlass zugeschickt wird und anderseits auch daran, dass die Mehrheit der Stadtmusikanten mit dem Bewertungssysem nicht mehr einverstanden ist. Das Stück an einem solchen Anlass wird mit der Originalbesetzung verglichen, in der heutigen Zeit wäre eine Originalbesetzung allerdings nur noch mit Aushilfen erreichbar, was auch nicht Sinn und Zweck des Besuches eines solchen Anlasses sein sollte. Hinzu kommt auch, dass der Besuch eines Musikfestes noch mit ziemlich hohen finanziellen Auslagen verbunden ist.

Es blieb aber der Stadtmusik noch lange wichtig, sich wenigstens an Aargauischen Musiktagen von einem Experten bewerten zu lassen, um zu wissen, wo man steht.

Doch die Stadtmusik tat in den letzten Jahren viel für das gesellschaftliche Leben, auch für ihr eigenes. Obwohl man 1978 in Koblenz für lange Zeit das letzte Mal auf einer Vereinsreie war, können die Stadtmusikanten jedes Jahr zusammen ausfahren. So fand ab 1976 während vielen Jahren ein Ski- später Schlittelweekend statt. Über einige Jahre führte man auch Probeweekends auf der Gibelegg durch, an denen oft mehr gejasst und geplaudert als geübt wurde.

 

Sonderformationen

 

Um die Jahrhundertwende gründete schon Alfred von Wartburg eine Unterhaltungsformation mit Klarinetten für die Jugendfeste. Die Idee ging in den Kriegsjahren wieder verloren, doch Konrad Spiegelberg nahm diese danach wieder auf und gründete die Freudenberger Ländlerformation, welche neben den Jugendfesten auch lebhaft an der Fasnacht teilnahm.

In den sechziger Jahren wurde die Allotria ins Leben gerufen. Sie war eine Zehn-Mann-Band, die vorwiegend volkstümliche Walzer- und Marschkompositionen spielte. 

Während sie an den verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen von Aarburg teilnahm, war sie auch in anderen Ländern Europas zu sehen und zu hören. So war sie unter anderem in Österreich, Deutschland und Frankreich. 

Als Unterhaltungsorchester für das Gibeleggfest von 1978 gründete man auf Anregung von Bruno Lanz und Heinz Schärer die Big Band und übertrug deren Leitung Willi Begert. Da aber der Erfolg so gross war, blieb die Big Band auch nach dem Fest aufrechterhalten.

Ein Höhepunkt war bestimmt die Aufnahme einer eigenen Schallplatte im Jahre 1982.

Um aber auf der Spitze des Erfolges abzubrechen, gab die Big Band am Jahreskonzert der Stadtmusik von 1984 ihr letztes Konzert.

 

Frauen in der Stadtmusik

 

Anfangs des letzten Jahrhunderts war es offensichtlich völlig klar, dass eine Frau nicht in einer Musikgesellschaft Mitglied war. Diese Meinung galt in der Stadtmusik recht lange, denn die erste Frau, Lotti Huber, wurde erst 1970 in den Verein aufgenommen. Noch länger dauerte es daher, bis eine Frau die Ehrenmitgliedschaft erhielt. Als Ausdruck der Dankbarkeit für die zahlreichen Anwerbungen neuer Passivmitglieder wurde Frieda Spiegelbert 1988 das erste weibliche Ehrenmitglied.

 

Von der Stadtmusik zur Big Band Stadtmusik Aarburg

 

Im Jahre 2009 entschieden sich die Mitglieder der Stadtmusik, neue Wege einzuschlagen. So trennte man sich von der altgedienten Uniform und entschloss gleichzeitig, sich von der gewohnten Harmoniemusik zu distanzieren, dies zu Gunsten von moderneren Musikstilrichtungen. Unterstützt wurde dieses Vorhaben seither durch regional namhafte Persönlichkeiten wie Christian Sommer, Ivo Müller und Simon Spiess, welche seither die musikalische Leitung inne hatten. 

 

2013 organisierte die Big Band Stadtmusik Aarburg unter der Leitung des OK-Präsidenten Willi Begert sowie vielen freiwilligen Helfern aus Aarburg und der Region das Kantonalmusikfest.

 

Nachdem die Gemeinde Aarburg aufgrund ihrer finanziell schlechten Situation 2017 ohne Vorankündigung den seit Jahren entrichteten Beitrag in die Vereinskasse halbierte, war der Verein gezwungen, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Seit Januar 2018 hat die Big Band Stadtmusik Aarburg entsprechend keinen Profimusiker mehr zum Dirigenten und wird durch freiwillige Aktivmitglieder, zur Zeit Felix Grendelmeier und Heinz Dannmeier musikalisch geleitet.

 

Der amtierende Präsident Marc Oesch sowie die ganze Big Band freuen sich auch heute noch sehr, wenn neue Mitglieder bei einer Probe, jeweils dienstags um 20:00 Uhr in der Aula der Mehrzweckanlage reinschauen.

 

Text: Andrea Frey, Aarburger Neujahrsblatt 1998

        Ergänzt und erweitert: Marc Oesch